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[NÖ] Anordnung von Bauwerken im Baulandbereich ohne Bebauungsplan

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  •  wbil
1.1. - 15.7.2022
5 Antworten | 2 Autoren 5
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Hallo,
ich lese schon einige Zeit interessiert hier im Forum mit, speziell auch mit Interesse die diversen Diskussionen zur Anordnung von Bauwerken im Baulandbereich ohne Bebauungsplan, vorallem in Bezug auf die letzte (?) Novelle der Bauordnung.
Der § 54 NÖ BO ist für mich einigermaßen verwirrend mit den vielen "Verknüpfungen" (bei manchen ODER-Verknüpfungen würde ich sogar argumentieren, dass das ODER meinem Verständnis nach nicht sinnvoll ist, aber ich bin ja kein Jurist).

Ausgangslage zur konkreten Frage:
- an unser Eckgrundstück (Bauland Wohnen) grenzt ein derzeit unbebautes Baugrundstück (Bauland Wohnen)
- Sowohl unseres als auch das Nachbargrundstück grenzen sonst nur an Verkehrsflächen und Grünland
- kein Bebauungsplan
- auf unserem Grundstück besteht ein bewillligtes Hauptgebäude in offener Bauweise
- Anordung in der Umgebung: ohne Einsicht in den Bauakt schwer zu sagen, da (optisch) eine Mischung aus offen, geschlossen, gekuppelt und einseitig offen zu finden ist. Für unser Grundstück vermutlich mehrheitlich offen in der 100m Umgebung. Beim Nachbargrundstück ist das schwieriger zu sagen.

Konkrete Fragen:
Aus anderen Diskussionen hier im Forum hätte ich verstanden, dass wenn der Nachbar nun an unser Grundstück gekuppelt bauen würde, wir in Zukunft ebenfalls nur mehr gekuppelt bauen dürften (sowohl bei Neubau als auch bewilligungspflichtiger Abänderung). Dies würde unsere Möglichkeiten stark einschränken.
- Angenommen die abgeleitete Anordnung ist gekuppelt für den Nachbar: Darf der Nachbar an unsere Grundstücksgrenze kuppeln, obwohl bei uns bereits offen bebaut?
- Angenommen die abgeleitete Anordnung ist geschlossen für den Nachbar und er baut geschlossen: ergibt sich daraus eine Anbauverpflichtung für uns?
- Verstehe ich § 54 richtig, dass im beschriebenen Fall ohne eine Erhebung der Anordnung für den Nachbarn nur die offene Bebauungsweise zulässig wäre?

Und im Zusammenhang damit:
Muss beim Antrag zur Baubewilligung in der Baubeschreibung die gewählte Bebauungsweise (offen, gekuppelt,...) explizit angeführt werden oder muss dies aus den Planunterlagen abgeleitet werden? (Was ja nicht ganz trivial ist, wenn z.B. eine Garage im Bauwich enthalten wäre, müsste man ja unterscheiden ob dies tatsächlich ein eigenständiges Nebengebäude ist.)

Ich hoffe meine Beschreibung ist verständlich und würde mich über Inputs freuen.

LG,
Martin

  •  Karl10
  •   Gold-Award
3.1.2022  (#1)
Die "UND" und "ODER" stimmen schon, aber zugegeben, es gibt leichter zu lesende §§ als den § 54....

zitat..
wbil schrieb: Verstehe ich § 54 richtig, dass im beschriebenen Fall ohne eine Erhebung der Anordnung für den Nachbarn nur die offene Bebauungsweise zulässig wäre?

Ja

zitat..
wbil schrieb: Angenommen die abgeleitete Anordnung ist geschlossen für den Nachbar und er baut geschlossen: ergibt sich daraus eine Anbauverpflichtung für uns?

Nein. Aber du musst bei der Belichtung deiner Hauptfenster berücksichtigen, dass der Nachbar an der Grundgrenze bis zu 8m hoch bauen darf.

zitat..
wbil schrieb: Angenommen die abgeleitete Anordnung ist gekuppelt für den Nachbar: Darf der Nachbar an unsere Grundstücksgrenze kuppeln, obwohl bei uns bereits offen bebaut?

Das ist zu wenig Info für eine Antwort. Bei dieser Frage muss man auch wissen, ob und gegebenenfalls, welche Bebauung auf der anderen Seite des Nachbargrundstückes besteht. Wenn er kuppeln muss/darf, dann muss man zunächst auf BEIDE seitlichen Nachbarn schauen, ob da was vorgegeben ist.
Weiters ist eine abgeleitete Mehrheit für "kuppeln" ja noch kein Zwang. "Offen" geht ja immer, wenn noch keiner der Nachbarn an dieses Grundstück gekuppelt hat.
Aber selbst wenn "kuppeln" die Mehrheit hätte und der Nachbar das auch so wollte, dürfte die Baubehörde das "kuppeln" untersagen, wenn es nicht zur Bebauung der direkten Nachbarschaft passt (siehe §54 Abs. 4).
Daher: selbst wenn es bezogen auf euer Nachbargrundstück eine abgeleitete Mehrheit für "kuppeln" gibt, bedeutet das lange noch nicht, dass wirklich gekuppelt wird bzw. werden muss.
Und wenn es tatsächlich so sein sollte (also Mehrheit+Wunsch des Nachbarn+ Zustimmung der Baubehörde für kuppeln), erst dann stellt sich die Frage, auf welcher Seite? Darauf gibt dir jetzt §54 in deinem Fall keine direkte Antwort (weil ja an den gemeinsamen Grenzen noch niemand gekuppelt hat).
Hier ist jetzt analog zu einem Bebauungsplan vorzugehen, bei dem zwischen 2 Grundstücken ein Grenze der Bebauungsweisen verläuft - eines mit "offen" und daneben "gekuppelt". Im Falle eines solchen Bebauungsplanes würde man nicht an jene Seite kuppeln dürfen, wo beim Nachbarn "offen" festgelegt ist - dort ist ein kuppeln (wozu letztlich immer 2 gehören) nämlich von vornherein ausgeschlossen und nicht mal theoretisch denkbar. Bleibt also nur die andere (noch "entscheidungsfreie") Seite. So würde ich das jedenfalls sehen/entscheiden.

zitat..
wbil schrieb: Muss beim Antrag zur Baubewilligung in der Baubeschreibung die gewählte Bebauungsweise (offen, gekuppelt,...) explizit angeführt werden oder muss dies aus den Planunterlagen abgeleitet werden?

Letztlich ist entscheidend, was sich aus dem Projekt ableitet.

zitat..
wbil schrieb: wenn z.B. eine Garage im Bauwich enthalten wäre, müsste man ja unterscheiden ob dies tatsächlich ein eigenständiges Nebengebäude ist.)

Ob einheitliches Gebäude oder eigenständiges Nebengebäude muss IMMER aus dem Projekt heraus erkennbar sein. Nicht nur wegen der Zuordnung zu einer Bebauungsweise - da gibts mehrere andere Gründe dafür.

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  •  wbil
3.1.2022  (#2)
Vielen Dank Karl10 für deine Antwort. Auf die "UND" und "ODER" Sache und meine Interpretation komme ich zurück, sobald meine spezifischen Fragen geklärt sind, da ich das einerseits interessant finde und es mir andererseits beim Verständnis helfen würde. Im Moment würde das hier aber vermutlich etwas verwirrend werden.

zitat..
Karl10 schrieb:

__________________
Im Beitrag zitiert von wbil: Angenommen die abgeleitete Anordnung ist geschlossen für den Nachbar und er baut geschlossen: ergibt sich daraus eine Anbauverpflichtung für uns?

Nein. Aber du musst bei der Belichtung deiner Hauptfenster berücksichtigen, dass der Nachbar an der Grundgrenze bis zu 8m hoch bauen darf.

Ok, das hatte ich aus dem Gesetzestext auch so geschlossen, aber das ist für mich nicht konsistent mit der (von mir vielleicht falsch unterstellten) Absicht des Gesetztes bezüglich der gekuppelten Bauweise. Was ich ebenfalls nicht verstehe, warum §54 ebenfalls nichts zur einseitig offenen Bebauung sagt. Wie unterscheidet man z.B. bei 3 benachbarten Grundstücken (ohne Bebauungsplan) bei denen die äußeren unbebaut sind und am mittleren an eine Grenze angebaut wurde, ob das nun gekuppelt oder einseitig offen ist?


zitat..
Karl10 schrieb:
__________________
Im Beitrag zitiert von wbil: Angenommen die abgeleitete Anordnung ist gekuppelt für den Nachbar: Darf der Nachbar an unsere Grundstücksgrenze kuppeln, obwohl bei uns bereits offen bebaut?

Das ist zu wenig Info für eine Antwort. Bei dieser Frage muss man auch wissen, ob und gegebenenfalls, welche Bebauung auf der anderen Seite des Nachbargrundstückes besteht. Wenn er kuppeln muss/darf, dann muss man zunächst auf BEIDE seitlichen Nachbarn schauen, ob da was vorgegeben ist.
Weiters ist eine abgeleitete Mehrheit für "kuppeln" ja noch kein Zwang. "Offen" geht ja immer, wenn noch keiner der Nachbarn an dieses Grundstück gekuppelt hat.
Aber selbst wenn "kuppeln" die Mehrheit hätte und der Nachbar das auch so wollte, dürfte die Baubehörde das "kuppeln" untersagen, wenn es nicht zur Bebauung der direkten Nachbarschaft passt (siehe §54 Abs. 4).
Daher: selbst wenn es bezogen auf euer Nachbargrundstück eine abgeleitete Mehrheit für "kuppeln" gibt, bedeutet das lange noch nicht, dass wirklich gekuppelt wird bzw. werden muss.
Und wenn es tatsächlich so sein sollte (also Mehrheit+Wunsch des Nachbarn+ Zustimmung der Baubehörde für kuppeln), erst dann stellt sich die Frage, auf welcher Seite? Darauf gibt dir jetzt §54 in deinem Fall keine direkte Antwort (weil ja an den gemeinsamen Grenzen noch niemand gekuppelt hat).
Hier ist jetzt analog zu einem Bebauungsplan vorzugehen, bei dem zwischen 2 Grundstücken ein Grenze der Bebauungsweisen verläuft - eines mit "offen" und daneben "gekuppelt". Im Falle eines solchen Bebauungsplanes würde man nicht an jene Seite kuppeln dürfen, wo beim Nachbarn "offen" festgelegt ist - dort ist ein kuppeln (wozu letztlich immer 2 gehören) nämlich von vornherein ausgeschlossen und nicht mal theoretisch denkbar. Bleibt also nur die andere (noch "entscheidungsfreie") Seite. So würde ich das jedenfalls sehen/entscheiden.

Die andere Seite des Nachbarn ist Grünland und unbebaut. Unabhängig von diesem anderen Nachbarn, ergäbe sich aus deinem letzten Absatz nicht in jedem Fall, nachdem bei uns schon offen bebaut ist, dass ein Kuppeln an unserer Grenze gar nicht möglich wäre?
Ausser natürlich nach §54 Abs. 4. Ist dieser Absatz nicht der Freifahrtsschein für die Baubehörde jedwede Bebauung zu erlauben? Z.B. Nachbar jetzt gekuppelt (bzw. einseitig offen wobei mir wie oben erwähnt nicht klar ist wie das in diesem Fall zu unterscheiden wäre) an unsere Grenze und später trotzdem für uns wieder eine offene Bebauung?


zitat..
Karl10 schrieb:
__________________
Im Beitrag zitiert von wbil: Muss beim Antrag zur Baubewilligung in der Baubeschreibung die gewählte Bebauungsweise (offen, gekuppelt,...) explizit angeführt werden oder muss dies aus den Planunterlagen abgeleitet werden?

Letztlich ist entscheidend, was sich aus dem Projekt ableitet.

zitat..
Karl10 schrieb: Ob einheitliches Gebäude oder eigenständiges Nebengebäude muss IMMER aus dem Projekt heraus erkennbar sein. Nicht nur wegen der Zuordnung zu einer Bebauungsweise - da gibts mehrere andere Gründe dafür.


Wenn das Bebauungsweise und Nebengebäude ja/nein nur aus dem Projekt abgeleitet wird und nicht explizit angeführt wird, ist es für jemand fachfremden leider sehr schwierig im Zuge des Bauverfahrens seine Rechte geltend zu machen. Z.B. würden wir eine gekuppelte Bauweise an unsere Grundgrenze jedenfalls beeinspruchen (wenn nach Gesetz nicht zulässig), da dies ja unsere zukünftigen Möglichkeiten stark einschränken würde. Wenn wir aber jetzt gar nicht erkennen, dass es eine gekuppelte Bauweise ist, dann wäre mit deren Bewilligung (ob rechtens oder nicht nach obiger Diskussion) für uns der Zug abgefahren. So gut es für die Rechtssicherheit des Bewilligungswerber ist, dass auch eine gesetzwidrige Bewilligung Gültigkeit hat, so nachteilig ist das für die anderen Parteien aus meiner Sicht. So gesehen müsste man ja als Nachbar, um sicherzugehen nichts zu übersehen, in jedem Fall einen Sachverständigen beiziehen.




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  •  Karl10
  •   Gold-Award
4.1.2022  (#3)

zitat..
wbil schrieb: Ok, das hatte ich aus dem Gesetzestext auch so geschlossen, aber das ist für mich nicht konsistent mit der (von mir vielleicht falsch unterstellten) Absicht des Gesetztes bezüglich der gekuppelten Bauweise.

Das hat jetzt eigentlich nicht direkt mit dem § 54 zu tun, sondern ergibt sich (auch schon bisher) aus den für Bebauungspläne gem. § 31 Abs. 1 Raumordnungsgesetz definierten Bebauungsweisen:
Die Definition für "geschlossen" bezieht sich demnach immer nur auf einen einzelnen (bebauungsgegenständlichen) Bauplatz. Auf die Bebauung beim Nachbarn kommts dabei nicht an.
Die Definition für "gekuppelt" zieht jedoch in die Betrachtung immer 2 Bauplätze ein - kann man also nie isoliert für einen Bauplatz allein sehen. Und zwar in dem Sinn, dass die Hauptgebäude auf 2 Bauplätzen an der gemeinsamen Grundgrenze überwiegend aneinander zu bauen sind. Natürlich gibts da eine zeitlich Abfolge, d.h. zunächst steht mal ein Hautpgebäude auf dem einen Bauplatz und der andere ist noch leer. Ob das in dieser Phase als gekuppelt oder "einseitig offen" gilt, ergibt sich bei einem Bebauungsplan natürlich zwingend aus dem Bebauungsplan.
Ohne Bebauungsplan sind in einem solchen Fall 2 Varianten möglich:
Grundsätzlich ist dann, wenn das Hauptgebäude auf einem Grundstück an der seitlichen Grundgrenze steht und der Nachbarbauplatz daneben noch unverbaut ist - und zwar ohne Erhebungen - von "gekuppelt" auszugehen. Dies insbesondere nach der letzten Novelle des §54, da für eine solche Situation jetzt festgelegt ist, dass der jetzt noch unverbaute Nachbar bei einer künftigen Bebauung die ansonsten immer (ohne Erhebungen) zulässige offene Bebauungsweise nicht verwirklichen darf, sehr wohl aber auf jeden Fall (ebenfalls ohne Erhebungen) an diesen Bestand daneben kuppeln darf. 
In der Variante 1 ist bei einer solchen Situation daher keinesfalls "offen" zulässig und jedenfalls "gekuppelt" - und zwar ganz ohne Erhebungen bzw. unabhängig von einer allfälligen in der Umgebung mehrheitlich festgestellten anderen Bebauungsweise.
Die Variante 2 in einer solchen Situation wäre dann, wenn sich aus der Erhebung eine Merheit für "geschlossen" oder "einseitig offen" ergibt. Dann hat man die Wahlmöglichkeit zwischen der grundsätzlich zulässigen "gekuppelten" Bebauungsweise (siehe Variante 1) oder der mehrheitlich abgeleiteten Bebauungsweise (ausgenommen "offen" - siehe oben).
Wenn die Mehrheit bei "geschlossen" liegt, dann ist auf nichts weiter zu achten, ich muss nur einhalten, was "geschlossen" für meinen Bauplatz verlangt - also straßenseitig von seitlicher zu seitlicher Grundgrenze durchgehend zu verbauen.
Ergibt die Mehrheit in der Umgebung "einseitig offen", dann darf ich jedoch (so wie bei "geschlossen") nicht mein zu bebauendes Grundstück allein betrachten, da sich die Bebauungsweise "einseitig offen" immer nur aus der Anordnung der Hauptgebäude auf mehreren (zumindest 2) Bauplätzen ergeben kann. Siehe dazu auch die Definition für "einseitig offen" in § 31 Abs. Raumordnungsgesetz, wo es heißt, dass an eine für "ALLE" Bauplätze gleich festgelegte seitliche Grundgrenze anzubauen ist.
Wenn sich also in der Umgebung eine Mehrheit für "einseitig offen" ableitet sollte, dann kann ich diese Bebauungsweise auf dem zu bebauenden Grundstück aber nur dann verwirklichen, wenn die Bebauungsweise auf meinem zu bebauenden Bauplatz auch tatsächlich in Kombination mit mehreren unmittelbaren Nachbargrundstücken der Defintion für "einseitig offen" lt. § 31 Abs. 1 ROG ROG [Raumordnungsgesetz/Raumplanungsgesetz] entspricht.

Diese Fragestellung zu "einseitig offen" nach § 54 in Bereichen ohne Bebauungsplan ist aber eine sehr theoretische. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ohne Zwang durch einen Bebauungsplan in einer historisch gewachsenen Bebauungsstruktur tatsächlich Gebiete mit mehrheitlicher, und gesetzlich korrekt zuordenbarer "einseitig offenen" Bebauungsweise gibt. 
Wie schon gesagt: ein auf einem einzelnen Bauplatz seitlich an der Grundgrenze situiertes Hauptgebäude bewirkt noch nicht "einseitig offen". Da brauchts mehrer aneinander grenzende mit einseitiger Bebauung - äußerst selten!
Womit wir uns hier in einer sehr akademischen Diskussion befinden - meines Erachtens mit wenig Relevanz für die Praxis.
Aber zugegeben: der §54 ist hier nicht ganz lupenrein (braucht einiges an "Interpretation" und somit rechtlich nicht 100% nachvollziehbar).
Aber der §54 als Ganzes ist ja nur eine Notlösung und nur deshalb notwendig geworden, weil die Gemeinden ihrer Verpflichtung, für das gesamte Bauland einen Bebauungsplan zu erlassen, nicht nachkommen. Die (nicht perfekte) Ersatzlösung dafür wurde halt in Form des §54 geschaffen.

Und noch was zum §54 Abs. 4: alles was ich hier interpretiere ist relativierbar und nicht 100% zwingend aufgrund des Abs. 4. Deine Formulierung

zitat..
wbil schrieb: Ist dieser Absatz nicht der Freifahrtsschein für die Baubehörde jedwede Bebauung zu erlauben?

ist allerdings verkehrt herum gedacht. Es geht nicht darum, hier willkürlich alles erlauben zu können, sondern es geht darum, Ergebnisse, die sich aus den § 54 Regeln ergeben, aber direkt am Ort der Bebauung  "unpassend" sind, zu overrulen. Mit anderen Worten: der Abs. 4 ist ein (mögliches/notwendiges) Korrektiv hinsichtlich allfälliger Unvollkommenheiten im Konstrukt des § 54. Abs. 4 erlaubt nicht willkürliche Anwendung, sondern braucht entsprechende und nachvollziehbare Begründung.

zitat..
wbil schrieb: So gesehen müsste man ja als Nachbar, um sicherzugehen nichts zu übersehen, in jedem Fall einen Sachverständigen beiziehen.

Vielleicht nicht "in jedem Fall", aber sehr oft wäre es anzuraten, da einen "Fachmann" drüber schauen zu lassen. Als Laie kann man das nicht alles wissen.
Und selbst wenn da ausdrücklich steht "die Bebauungsweise ist gekuppelt", was schließt du daraus als Laie?? Da brauchts genauso einen Fachmann, der dir jegliche Konsequenzen, die sich daraus für dich ergeben könnten, aufdeutscht.

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  •  wbil
5.1.2022  (#4)
Vielen Dank für deine Erläuterungen, toll wenn jemand wie du die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Gesetzen parat hat. Wenn man selbst unbedarft einzelne Gesetze liest fehlt dieser Überblick zum Verständnis leider sehr.

Ich fasse nochmal mein Verständnis zu meinen Konkreten fragen zusammen:

zitat..
wbil schrieb: Aus anderen Diskussionen hier im Forum hätte ich verstanden, dass wenn der Nachbar nun an unser Grundstück gekuppelt bauen würde, wir in Zukunft ebenfalls nur mehr gekuppelt bauen dürften (sowohl bei Neubau als auch bewilligungspflichtiger Abänderung). Dies würde unsere Möglichkeiten stark einschränken.

Hier ist die Antwort ja, mit der Einschränkung, dass die Baubehörde aufgrund § 54. Abs. 4 auch etwas anderes erlauben könnte.

zitat..
wbil schrieb: - Angenommen die abgeleitete Anordnung ist gekuppelt für den Nachbar: Darf der Nachbar an unsere Grundstücksgrenze kuppeln, obwohl bei uns bereits offen bebaut?

Nein, da bei uns durch das bestehende Gebäude "offen" festgelegt ist und hier analog zu einem Bebauungsplan vorzugehen ist, bei dem zwischen 2 Grundstücken ein Grenze der Bebauungsweisen verläuft - eines mit "offen" und daneben "gekuppelt". Im Falle eines solchen Bebauungsplanes würde man nicht an jene Seite kuppeln dürfen, wo beim Nachbarn "offen" festgelegt ist - dort ist ein kuppeln (wozu letztlich immer 2 gehören) nämlich von vornherein ausgeschlossen und nicht mal theoretisch denkbar. (Vorbehaltlich § 54. Abs. 4)

zitat..
wbil schrieb: - Angenommen die abgeleitete Anordnung ist geschlossen für den Nachbar und er baut geschlossen: ergibt sich daraus eine Anbauverpflichtung für uns?

Nein. (Vorbehaltlich § 54. Abs. 4)

zitat..
wbil schrieb: - Verstehe ich § 54 richtig, dass im beschriebenen Fall ohne eine Erhebung der Anordnung für den Nachbarn nur die offene Bebauungsweise zulässig wäre?

Ja. (Vorbehaltlich § 54. Abs. 4)

zitat..
wbil schrieb: Muss beim Antrag zur Baubewilligung in der Baubeschreibung die gewählte Bebauungsweise (offen, gekuppelt,...) explizit angeführt werden oder muss dies aus den Planunterlagen abgeleitet werden?

Wird nicht explizit angeführt, sondern muss aus dem Projekt abgeleitet werden.

Für uns bedeutet das, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass der Nachbar (wenn er denn überhaupt wollte) eine Bewilligung für das Kuppeln an unsere Grenze bekommen würde und wir somit keine Probleme haben sollten auch zukünftig offen neu zu bauen oder das bestehende Gebäude abzuändern.




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  •  wbil
15.7.2022  (#5)
Hallo,
es gibt Neuigkeiten, der Nachbar hat jetzt eingereicht. Aus seiner Einreichung ergibt sich  folgendes:
- es wurde eine Feststellung der Bebauungsweise in der Umgebung vorgenommen mit dem Ergebnis geschlossene Bauweise
- es soll geschlossen gebaut werden, was sowohl in der Baubeschreibung und der Niederschrift der Gemeinde/Bausachverständigen explizit so ausgeführt ist
- die geschlossene Bauweise wird erzielt durch Garage (an unserer Grundgrenze, Höhe 340cm), Mauer (Höhe 275cm) mit dahinterliegendem Flugdach (ohne statische Verbindung zu Garage oder Hauptgebäude soweit ich das am Plan sehe), Hauptgebäude, Mauer (Höhe 275cm)

Die Folgen, die sich aus der geschlossenen Bebauung für uns ergeben wurden oben ja schon erläutert (=bei einer zukünftigen Bebauung müssen wir bezüglich Belichtung der Hauptfenster berücksichtigen, dass der Nachbar an der Grundgrenze bis zu 8m hoch bauen darf.).

Soweit alles klar, zwei Fragen gibt es dennoch:
1) bei der Ableitung der Bebauungsweise sagt §54 "Die Umgebung umfasst ..., die vom Baugrundstück aus innerhalb einer Entfernung von 100 m baubehördlich bewilligte Hauptgebäude oder -teile aufweisen." Meine Interpretation wäre, dass man also um das Grundstück einen Puffer von 100m legt, ergibt also ein Rechteck mit abgerundeten Ecken. Im Lageplan zum Ermitteln der Nachbarn wurde das mit dem 14m Puffer auch so gemacht. Zur Ableitung der Bebauungsweise wurde allerdings ein 100m Kreis mit zufällig wirkendem Mittelpunkt (eventuell die zukünftige Eingangstüre?) gewählt. Gibt es hier eine eindeutige Regelung wie die 100m Entfernung festzulegen sind?
2) NÖ ROG §31 sagt bezüglich geschlossener Bebauungsweise "Die Bebauung ist überwiegend durch Hauptgebäude straßenseitig in einer geschlossenen Flucht von seitlicher zu seitlicher Grundstücksgrenze vorzunehmen." Dies ist im gegenständlichen Fall erfüllt, wenn die im Plan vorweggenommene Grundstücksteilung (wodurch sich eine Zufahrtsfahne ergibt, das zu bebauende Grundstück also schmäler wird) tatsächlichich durchgeführt wird. Wenn diese nicht erfolgt (ist laut Niederschrift keine Auflage), ist das nicht der Fall (im Plan ist die neue Grundgrenze eingezeichnet, die Wand zum Erzielen der geschlossenen Bebauung ist aber bis zur derzeitigen Grundgrenze eingezeichnet). Welche Bebauung würde sich dann ergeben? Geschlossen ist es nicht weil straßenseitig nicht überwiegend durch Hauptgebäude bebaut, gekuppelt ist es nicht, weil Hauptgebäude nicht an der Grundgrenze angebaut, offen ist es nicht, weil Nebengebäude im seitlichen Bauwich zu hoch.

Liebe Grüße

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