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Angebot annehmen oder warten?

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  •  LiConsult
  •   Gold-Award
16.3. - 25.3.2020
44 Antworten | 16 Autoren 44
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In den letzten Tagen wurden immer wieder Fragen gepostet, ob man aktuelle Finanzierungsangebote annehmen solle oder vielleicht doch auf bessere Konditionen wartet – in der Erwartung, dass sich die gesunkenen Geld- und Kapitalmarktzinssätze aufgrund der aktuellen Situation möglicherweise doch noch weiter verbessern und sich dadurch die fixe und/oder variable Kondition reduziert.
Als ehemaliger langjähriger Banker und dort Mitverantwortlicher für die Steuerung des Zins- und Liquiditätsrisikos möchte ich euch in diesem Thread meine Sicht der Dinge offenbaren und gleich zu Beginn mit einem Mythos aufräumen, nämlich:
Sinkende Marktzinsen bedeuten zwangsläufig NICHT unmittelbar sinkende Kundenkonditionen
Warum? Die Zinsvergabe von Einlagen (Sichteinlagen, Sparbücher, Konten, Festgelder, etc.) und Krediten (Kontokorrentkredite, Rahmenvereinbarungen, Immobilienfinanzierungen, etc.) ist von einer Vielzahl von Parametern abhängig. Eben deswegen gibt es bei den Angeboten von Bank zu Bank Unterschiede – je nachdem z.B. ob die Bank „passiv–lastig“ (mehr Verbindlichkeiten (= Einlagen) als Forderungen (Kredite) in der Bilanz stehen) oder aktiv–lastig (umgekehrter Fall). Dazu kommt, zu welchen Konditionen sich die Bank selbst refinanzieren (= Liquidität besorgen) kann, welche Laufzeiten- und Fixzinsstruktur in der bankeigenen Veranlagung und bei den ausgegebenen Krediten herrscht, wie es um die Sicherheitenlage bei den Krediten bestellt ist, wie stark die bankeigene Eigenkapitalausstattung ist (Kredite müssen nach BASEL mit einem Teil Eigenkapital hinterlegt werden), wie das geplante Marktwachstum ist, etc., etc., etc., etc.
Was in der aktuellen Situation deutlich wird ist, dass die großen „Aktienbanken“ (Banken, die an der Börse gehandelt werden – ERSTE Group, Unicredit, RBI, ING, Deutsche Bank, etc., etc.) schwere Kursverluste hinnehmen mussten – nicht nur das – auch die bankeigenen Veranlagungen werden (so sie nicht ausschließlich in sicheren Staatsanleihen geparkt sind) ordentlich in Mitleidenschaft gezogen, was zu einer enormen Ergebnisbelastung führt. Als Folge dessen wird die ohnehin schon „dünne“ Eigenkapitaldecke, die jedoch wichtig für die bankeigene Kreditvergabemöglichkeit ist, noch dünner. Und wenn dann die jetzt zwangsläufig entstehende Krise der Realwirtschaft dann in der Finanzwirtschaft ankommt (weil Firmen insolvent werden, Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können, etc.), werden wir erst sehen wie es weitergeht.
Ein mögliches Szenario kann somit auch sein, dass jeweils durch die Banken selbst die Credit Policy verschärft wird und die Risikosicht bzw. Konditionensicht einer Adaptierung unterzogen wird. Eine andere Möglichkeit ist es aber auch, dass der Regulator noch stärker in die Kreditvergabepolitik eingreift (was er jetzt auch schon tut), Margen vorschreibt, Laufzeiten vorschreibt, LTV, etc.
Natürlich: Private Immobilienkredite sind für Banken das margenärmste aber zugleich  ziemlich sicherste Geschäft und rein im eigenen Interesse wird der Focus weiterhin auf diesem Geschäftszweig liegen. Aber auch da: Wir wissen alle nicht, wie sich die Krise auch auf die privaten Kreditnehmer auswirkt – müssen jene mit niedriger Eigenmittelausstattung eventuell „nachschießen“ weil die Immobilienbewertung einer Neubeurteilung unterzogen wurde, wie wirkt sich die potentiell stark steigende Arbeitslosigkeit auf die Rückzahlungsfähigkeit aus und schließlich: wie schlagen sich mögliche große Verluste aus dem Kommerzgeschäft auf das restliche Kreditgeschäft durch?
Und zu guter Letzt: Wohin sollen sich die Zinsen noch absenken? Durch das höchstgerichtliche Urteil zahlen gut verhandelnde/mit Eigenmitteln ausgestattete/gut verdienende Kreditnehmer variabel verzinst bereits jetzt kaum mehr als 0,5%. Wenn ich mich 20 oder 25 Jahre mit 1% oder 1,25% oder 1,5% fix verzinst verschulden kann, ist das auch gewaltig.
Freilich ist es möglich, dass nach neuer Beurteilung der Lage der eine oder andere Anbieter „Lunte riecht“ und in den Markt hineinfährt und die aktuell schon sehr tiefen Konditionen nochmal unterbietet – ich würde aber nicht darauf wetten.

  •  Gemeinderat
24.3.2020  (#41)

zitat..
pedaa schrieb: dafür kostet ja aber auch das geld ausborgen "nix"

 
wird aber dann sinnlos wenn man das leichter geborgte Geld wieder auf der anderen Seite rausfeuern muss - also immer mehr ;) denn mehr als 0% Zins wirds rechnerisch kaum geben - außer sie zahlen einem noch was dafür, einen Hypothekarkredit aufzunehmen :D  


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  •  LiConsult
  •   Gold-Award
24.3.2020  (#42)

zitat..
Gemeinderat schrieb: außer sie zahlen einem noch was dafür, einen Hypothekarkredit aufzunehmen :D

Das ist in Ö rechtlich gegenwärtig nicht möglich.

Aber generell zu den aktuellen Zinssätzen. Was wir sehen ist, dass sich die Zinssätze momentan stabilisieren. So lag der 15Y SWAP Anfang März um die Nulllinie - aktuell bei 0,225%. Der 3M EURIBOR am 12.03. bei knapp -0,49%, aktuell bei -0,369%.

Um den Thread Titel und die Frage nach dem idealen Abschlusszeitpunkt nochmal in Erinnerung zu rufen: Ich hatte heute wieder Kontakt mit einigen meiner Kooperationspartnerbanken, die mir mehr oder weniger alle dasselbe mitteilten, nämlich: sie haben zwar sehr wohl ein Auge auf die Zinsmarktaktivitäten - das andere Auge beobachtet aber sehr wohl die Entwicklungen des eigenen Kreditportfolios, die Eigenkapitalausstattung und die eigenen Refinanzierungskosten.

Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass es in der nächsten Zeit sehr spannend wird, wie die Banken auf die Entwicklungen reagieren und wie sich das dann risiko- und konditionenseitig niederschlagen wird.


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Hallo LiConsult, kostenlos und unverbildlich kann man Kredite auf durchblicker.at vergleichen, das hilft auch das Angebot der Hausbank besser einschätzen zu können.
  •  Gemeinderat
24.3.2020  (#43)
Wenn noch mehr Wert auf Eigenkapital gelegt wird, soll mir das auch Recht sein... aber Wohnbau muss darstellbar / leistbar sein... irgendwie läuft einiges in die falsche Richtung kommt mir vor :/ 

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  •  hektor
25.3.2020  (#44)
Ist eine Auslegungssache!
Zuletzt haben sich die Preise doch immer mehr nach oben gelöst, was wohl auch die Zinspolitik verursacht hat. Zieht man die jährliche Preissteigerungen heran, macht man sich zu Recht seine Gedanken! Das Schaffen von Wohnraum wird wohl auch in Zukunft der einzig vernünftige Grund sein, eine Zahlungsverpflichtung einzugehen, wenngleich man sich selbst jedoch mehr als zuvor mit der Frage der Leistbarkeit konfrotieren wird müssen.


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