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wer schweigt, stimmt zu....

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  •  creator
  •   Gold-Award
20.5. - 23.5.2011
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Wer schweigt stimmt zu - Vertragsänderungen durch Erklärungsfiktionen
19.05.2011


Da einseitige Vertragsänderungen nur in engen gesetzlichen Grenzen zulässig sind, weichen immer mehr Branchen dazu aus, „einvernehmliche“ Vertragsänderungen vorzunehmen. Die Vertragsänderung wird dem Kunden mitgeteilt – schweigt er, gilt das als Zustimmung. Es gibt zwar auch hier gesetzliche Grenzen, doch diese reichen nicht aus, um Nachteile für die Verbraucher hintanzuhalten.


Ein Vertrag kommt nur durch Willenseinigung der Vertragspartner zustande. Ein unerbetenes Vertragsanbot muss man grundsätzlich nicht extra ablehnen; es gilt der Grundsatz, dass Schweigen nicht als Zustimmung dazu gilt.
Eine einseitige Änderung eines Vertrages ist nur in engen Grenzen zulässig. Diese Gestaltungsmöglichkeit für den Unternehmer muss vertraglich vereinbart sein (idR im Kleingedruckten). Einseitige Preisänderungen müssen zudem an sachlich gerechtfertigte und objektive Parameter geknüpft werden und zweiseitig wirken (§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG). Auch einseitige Leistungsänderungen sind nur eingeschränkt möglich: Sie müssen zumutbar, weil geringfügig und sachlich gerechtfertigt sein.
Es gibt aber eine Alternative dazu: Die einvernehmliche Änderung. Da gibt es keine inhaltlichen Einschränkungen. Es ist aber für Unternehmer teuer und gefährlich, würde man für diese Änderungen eine ausdrückliche Zustimmung des Konsumenten verlangen.
Daher lässt das Konsumentenschutzgesetz die Möglichkeit einer Erklärungsfiktion zu (§ 6 Abs 1 Z 2 KSchG). Der Unternehmer teilt sein Änderungsangebot mit und setzt eine angemessene Frist zum ausdrücklichen Widerspruch; widerspricht der Kunde nicht, dann gilt sein Schweigen plötzlich als Zustimmung.
In immer mehr Branchen werden daher die AGB und die Entgelte nur noch auf diesem Weg geändert. Sehr zum Ärger der Kunden, weil diese nicht einsehen, weshalb Verschlechterungen ihrer Verträge so einfach möglich sein sollen.
Spitzenreiter der Beschwerden sind die Telekom-Unternehmen: A1 hat Anfang des Jahres allen Kunden „angeboten“, gegen eine Erhöhung der Grundgebühr die Anrufe zu 05-Nummern konsumentenfreundlicher zu vergebühren. Wer nicht widerspricht, der würde die Änderung akzeptieren. Ähnlich auch eine Preiserhöhung bei aon im März 2011. Das Problem vieler: Die Kunden erhalten – von den Mobilfunkern dazu gedrängt – nur noch Online-Rechnungen. Diese werden – gerade bei Flat-Rates – nicht mehr kontrolliert. Das Angebot der Vertragsänderung war auf einer solchen Monatsrechnung enthalten. Wer die nicht genauestens durchgesehen hat, hat die Frist für einen Widerspruch versäumt und fällt nun – als die neue Grundgebühr erstmals verrechnet wird – aus allen Wolken. Nun kann man zwar streiten, ob die Information via Online-Rechnung auch wirklich „zugegangen“ ist. Besser wäre es aber, wenn es klare gesetzliche Vorgaben für den geforderten Hinweis auf die Erklärungsfiktion gäbe.
T-Mobile geht derzeit noch einen anderen Weg. Mangels Vereinbarung einer Erklärungsfiktion in den bisherigen AGB werden gewissen Kunden ähnliche „Optionen“ derzeit via SMS übermittelt. Wer nicht widerspricht, der zahlt mehr (bei gleichzeitiger günstigerer Verrechnung der 05-Nummern). Diese Vorgangsweise ist schlicht gesetzwidrig und unwirksam. Ohne eine vertragliche Grundlage kann eine Erklärungsfiktion nicht zum Einsatz gelangen. Dazu kommt, dass eine Frist von wenigen Tagen für eine ausdrückliche Erklärung ebenfalls nicht angemessen und daher unwirksam wäre.
Auch in anderen Branchen gibt es originelle „Verstecke“ für die Mitteilung von Vertragsänderungen. So haben Energieversorger Preisanhebungen oder Vertragsänderungen auch schon einmal in ihren Hochglanz-Werbe-Zeitungen platziert. Wer daher "Marketing-Müll" gleich entsorgt, hatte Pech.
Banken sprechen AGB- und Entgeltänderungen gerne auf den Kontoauszügen an. Hier gibt es öfters ein anderes Problem: Man soll neuen AGB durch Schweigen „zustimmen“, müsste aber – um Klarheit zu bekommen, was sich ändert – Wort für Wort der alten AGB mit den neuen vergleichen. Wir meinen, dass eine Vertragsänderung via Erklärungsfiktion nur wirksam ist, wenn die Mitteilung auch transparent ist. Ein Minimum ist daher, dass die Änderungen klar dargestellt werden (etwa durch die Gegenüberstellung der geänderten Textpassagen).
Die zentrale Frage von Konsumenten bleibt aber: Ist es möglich – ohne jede inhaltliche Schranke – einen Vertrag auf diesem „stillen Weg“ einfach zu ändern? Kann eine Versicherung einen Vertrag über eine Unfallversicherung in eine Rechtsschutzversicherung umwandeln und die Prämie verdreifachen? Oder juristischer: Ist es möglich via Erklärungsfiktion den Grundsatz, dass ein unerbetenes Vertraganbot nicht durch Schweigen angenommen wird, ins Gegenteil zu verkehren?
Wir meinen Nein. Denn es ist ein großer Unterschied, ob ein Unternehmen seine Leistungsbeschreibung oder den Preis moderat anpasst, oder ob ein völlig anderer Vertrag geschaffen werden soll. Die Polarisierung fällt leicht – die Festlegung der Grenzlinie nicht. Dennoch wird sich der Gesetzgeber dieser Aufgabe unterziehen müssen. Sonst führt die Erklärungsfiktion den Grundsatz der Vertragsfreiheit in Verbrauchergeschäften völlig ad absurdum!
Links:

  •  I-Viertler
21.5.2011  (#1)
Vorgehen? - Das mit den 05er-Nummern von A1 finde ich auch ein starkes Stück. Ich bezweifle den ordnungsgemäßen Zugang und die Willensübereinstimmung bzw. Zustimmung per Schweigen. Weißt ob irgend jemand (VKI, AK,...) dagegen vorgeht?

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  •  alfa2
21.5.2011  (#2)
Finde an der Erklärungsfiktion jetzt nicht unbedingt was schlechtes.
Das Schlimme ist anscheinend wirklich nur, dass es Firmen gibt, die das voll ausnutzen wollen und nur versteckt Hinweise darauf geben, dass sich etwas geändert haben kann.

bezüglich 05er-Nummern kannst dich auch an die RTR wenden..

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  •  creator
  •   Gold-Award
22.5.2011  (#3)
ja, vki versucht musterprozesse... aber das dauert. - die erklärungsfiktion ist eigentlich als ausnahme von der regel im verwaltungsrecht konzipiert worden um behörden zu entlasten. wenn die - z.b. bei anzeigepflichtigen baumaßnahmen - nix dagegen haben, gilt es als genehmigt.

im privatrecht wird damit die privatautonomie pervertiert - da kann jede firma zig änderungen in irgendwelchen blöden werbemails verpacken und den kunden dazu nötigen, all das zu durchforsten, um nachteilige änderungen zu widersprechen... ist doch toll, wenn man sowas in online-rechnungen , die bei flatrates eh niemand kontrolliert, reinbaut.
heißt im umkehrschluss: nur noch zahlschein - mehr aufwand und keine gebühren gem. zadig.
ist aber ein schönes beispiel dafür, dass man eben nicht vertrauen kann - auch wenn das firmen immer so hübsch beteuern und darum werben...

das problem ist ja leicht lösbar, indem firmen einfach zum einholen der aktiven zustimmung verpflichtet würden... aber so funktioniert lobbyismus...

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  •  Romeo Toscani
  •   Silber-Award
22.5.2011  (#4)
So ganz schlau werd ich bei A1 nicht. - Ich hab einen Uralt-Vertrag, und da kam überhaupt nichts, zwecks Gebührenerhöhung usw.

Eine Bekannte von mir bekam ein Schreiben (oder eine SMS, weiß das nicht so genau), in der das mitgeteilt wurde.
Sie ist dann rechtzeitig zu einem A1-Shop gegangen und hat das schriftlich abgegeben, dass sie den neuen Vertrag nicht annimmt.
Sogar mit Bestätigung des A1-Shops.

Thema erledigt? Denkste ...

Einen Monat später kommt wieder eine Mitteilung von A1, nach dem Motto: "Pech gehabt, nicht in der Frist reagiert, Gebührenerhöhung wirksam!".
Sie wandte sich dann telefonisch an A1 (der Kerl dort tut mir im übrigen eh leid, der wird seitdem ständig mit verärgerten Kunden konfrontiert), und dort wurde ihr nach langem Hin und Her erklärt, dass da wohl ein Fehler in der Kommunikation liegt, und meiner Bekannten nun ein neuer Vertrag angeboten wird, der günstiger ist als der Bestehende und auch mehr Leistung enthält.

Sie wollte telefonisch nichts abschließen, und bat um ein schriftliches Angebot.
Das kam dann auch, aber weit weg von dem was ausgemacht war. Es kam ein 08/15 Vertrag, teurer und mit weniger Leistung als zugesichert.

Sie wandte sich dann wieder zu A1, und bekam neuerlich zu hören, dass sie diese Spezial-Angebot eingehen könnte.

Mir der Info ging sie zum Shop, nur der wusste von nichts ("Diesen Tarif gibts nicht!")

Insgesamt hat die Aktion mehrere Wochen gedauert, und viel Zeit und Nerven gekostet.

Mir kommt das so vor: Da wird versucht, einfach die Gebühren zu erhöhen, in der Hoffnung, dass sich ein großer Teil der Kunden nicht großartig darum schert, und das so zur Kenntnis nimmt.
Der Anteil, der sich aufregt, wird umständlich vertröstet, wohl auch mit dem Gedanken, dass die ganze Aktion soviel mehr an Umsatz bringt, dass man es in Kauf nimmt, einzelne Kunden zu verlieren.
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Ich hab das selbst auch am Beispiel Tele2 bemerkt.
Da hatte ich jahrelang einen Tarif, der eh nicht mehr so gut war, und im Zuge einer PC-Neuanschaffung funktionierte das Modem dort nicht mehr (weil Windows 7 drauf war).
Wollte dann ein neues Modem (das Windows 7 tauglich ist) und gleichzeitig auch zu einem neueren, besseren Vertrag wechseln.

Keine Chance! Hinhalte-Taktik, niemand ist zuständig, 5 Mal wirst weitergeleitet, bis dann keiner mehr abhebt. Und das, obwohl man ja Kunde bleiben will!
Da kam 0 Service seitens Tele2, obwohl es sehr einfach wäre, bloß ein neues Moden zu schicken + 1 CD mit den Treibern drauf.

Erst als ich schriftlich gekündigt hatte (mit ensprechend "nettem" Begleitschreiben), rührten die sich.
Aber da wars eh schon zu spät.

Ironie an der Geschichte: Jetzt bekommt ausgerechnet A1 Geld von mir fürs Internet. emoji

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  •  creator
  •   Gold-Award
23.5.2011  (#5)
das problem wär' leicht zu lösen.... aber da sind - und da verallgemeinere ich mal a la treichl - die österreicher zu blöd und zu feig.
flashmobs kriegen wir hin, die aber strategisch gezielt und konzertiert gegen firmen a la a1 durchzuboxen offenbar nicht.
dabei wäre es einfach, diesen firmen im minutentakt von ein paar tausend usern anbote mit erklärungsfiktion auf dieselbe weise wie deren anbote zu übermitteln (=wirksam zuzustellen) und diese dann auch weiter am gerichtsweg mit gruppenklagen zu verfolgen. da sind wir noch weit weg...
böse fantasie? nein, die firmen machen ja nix anderes... und da sollte man sie halt mit den gleichen waffen schlagen... auf politiker warten ist halt eine eher sinnlose strategie...

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  •  I-Viertler
23.5.2011  (#6)
Flashmob - Ich bin ein Fan von Flashmobs - das wäre sicher eine interessante Aktion!

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