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VersRÄG 2012: Die Änderungen im Überblick
2.07.12
Mit 1.7.2012 gibt es wesentliche Neuerungen im Versicherungsrecht. Es gibt eine neue „geschriebene Form“, die elektronische Kommunikation zwischen Versicherung und Kunden wird geregelt, ein neues allgemeines Rücktrittsrecht wird eingeführt und die anteilige Abschlusskostenverrechnung in der Lebensversicherung gilt nun auch für Nettopolizzen. Ab 1.10.2012 gibt es dann auch Neuerungen bei der Ermittlung von Gesundsheitsdaten.
Nach mehreren Jahren Vorgeschichte treten am 1.7.2012 wesentliche Punkte des Versicherungsrechtsänderungsgesetzes 2012 (VersRÄG 2012) in Kraft. Die meisten Bestimmungen sind auf Vereinbarung anzuwenden, welche nach dem Inkraftreten abgeschlossen werden. Die Hinweispflicht des Versicherers nach § 1 Abs 2 VersVG gilt für Erklärungen nach dem 30.6.2012.
Neue geschriebene Form (§ 1b VersVG)
Neben der im ABGB und VersVG bestehenden Schriftform wird eine neue Form für Erklärungen eingeführt, die sogenannte „geschriebene Form“ – eine versicherungsrechtliche Sonderform.
Diese geschriebene Form besteht aus einem Text in Schriftzeichen, aus dem die Person des Erklärenden hervorgeht (etwa im Kopf). Eine Unterschrift oder qualifizierte Signatur ist für diese Formkategorie nicht erforderlich. Die „geschriebene Form“ liegt daher etwa vor bei Erklärungen auf Papier ohne Unterschrift, bei Erklärungen per Fax, aber auch in elektronischer Form also etwa per mail ohne qualifizierte elektronische Signatur.
Soweit das VersVG nichts anderes anordnet (Schriftform oder formlose Erklärung), die Parteien formfrei agieren können oder die Vereinbarung einer anderen Form zulässig ist, soll diese neue „geschriebene Form“ ausreichen. Ob im Einzelfall die geschriebene Form reicht oder nicht, wird sich daher leider oftmals nicht auf den ersten Blick beantworten lassen. Es kann nämlich etwa vereinbart werden, dass manche Erklärungen wie z.B. Kündigungen oder ein Rücktritt weiterhin schriftlich – also mit Unterschrift - zu erklären sind. Dafür bedarf es einer gesonderten ausdrücklichen Erklärung.
Besteht für eine Erklärung ein (gesetzlich oder vertraglich zulässigerweise vorgesehenes) Schriftformgebot und verletzen KonsumentInnen dieses Schriftformgebot, muss der Versicherer dem Erklärenden nach § 1b Abs 2 VersVG unverzüglich mitteilen, wenn er sich auf die Unwirksamkeit einer Erklärung berufen will.
Der Erklärende hat dann nach dem Erhalt des Hinweises des Versicherers 14 Tage Zeit eine schriftliche Erklärung abzugeben. Die Absendung der Erklärung innerhalb der 14-tägigen Frist reicht zur Fristwahrung.
Elektronische Kommunikation (§ 5a VersVG)
Neu eingeführt wird die Möglichkeit, die elektronische Kommunikation zu vereinbaren. Die Zustimmung muss ausdrücklich und gesondert von der Zustimmung im Versicherungsantrag erfolgen (somit nicht in AGB). Die Vereinbarung ist von beiden Seiten jederzeit widerrufbar, darauf ist vor Zustimmung auch hinzuweisen.
Versicherungen können folgende Erklärungen mittles elektronischer Kommunikation versenden: Polizze, AVB, Erklärungen und andere Informationen (also etwa Mahnungen, Kündigungen, Deckungsablehnungen, …). KonsumentInnen können Erklärungen und andere Informationen (Kündigungen, Rücktritt, Info zur Veräußerung, Untergang der versicherten Sache, …) auf diese Weise versenden.
Damit die elektronische Kommuniaktion zulässig ist, müssen neben einer grundsätzlichen Vereinbarung einige Voraussetzungen erfüllt sein: Die Übermittlungsart muss festgelegt sein; es muss nachweislich ein regelmäßiger Zugang der KonsumentInnen zum Internet bestehen; die Inhalte müssen tatsächlich übersendet bzw. die Abrufbarkeit auf einer Homepage muss sichergestellt sein; den KonsumentInnen muss es möglich sein, die Inhalte dauerhaft zu speichern und laufend wiederzugeben.
Der Versicherer kann bestimmte Inhalte auch auf einer Website zur Verfügung stellen. Der Zugang muss leicht und einfach sein (etwa mittels Versendung eines Links) und ein Zugriff muss dauerhaft sichergestellt sein.
Will der Versicherer eine Erklärung trotz Vereinbarung einer elektronischen Kommunikation schriftlich versenden, muss er KonsumentInnen davor darauf aufmerksam machen.
Bestehen für den Versicherer Hinweise, dass kein regelmäßiger Zugang des jeweiligen Konsumenten zum Internet besteht, kann auf elektronischem Weg nichts wirksam übermittelt werden.
Der Versicherer muss klar und deutlich darauf hinzuweisen, wenn eine Polizze oder eine andere relevante Information enthalten ist, z.B. mit dem Hinweis im Betreff eines Mails: „Polizze“. Dies ist wesentlich, weil zu erwarten ist, dass auch Werbung auf diesem Kommunikationsweg übermittelt werden wird und Wichtiges daher untergehen kann.
KonsumentInnen können alles, was sie elektronisch erhalten haben, auf Papier anfordern. Dies ist einmal kostenlos. Auf dieses Recht ist vor Zustimmung hinzuweisen.
Auch bei Vereinbarung der elektronischen Kommunikation ist die Polizze bei Lebens-, Berufsunfähigkeits- oder Pensionsversicherungen zusätzlich auch auf Papier zu übermitteln. Lautet die Polizze auf den Inhaber, darf sie nur auf Papier übermittelt werden.
Gefährlich ist die vorgesehene Zugangsvermutung in § 5a Abs 10 VersVG. Eine Sendung gilt nämlich als zugegangen, wenn die Voraussetzungen für die Übermittlung eingehalten sind. Ein Mail wird daher grundsätzlich als zugegangen gelten, wenn es abrufbar ist. Wann die Vermutung widerlegbar ist, wird die Praxis zeigen, etwa auch bei technischen Defekten.
Neues allgemeines Rücktrittsrecht (§ 5c VersVG)
Neben den bestehenden Rücktrittsrechten (etwa nach § 5b VersVG, § 165a VersVG, § 8 FerFinG) wird ein neues allgemeines Rücktrittsrecht geschaffen, welches keiner Begründung bedarf und für welches auch keine besonderen Voraussetzungen gegeben sein müssen.
KonsumentInnen können innerhalb von 14 Tagen grundsätzlich in geschriebener Form von einem Versicherungsvertrag zurücktreten. Es kann aber vereinbart werden, dass der Rücktritt in Schriftform erfolgen muss. Die Frist beginnt, wenn der jeweilige Konsument die Polizze, die AVB einschließlich Bestimmungen über die Prämienfeststetzung und Änderung, die Mitteilungen nach VAG und GewO (vgl. § 5b Abs 2 Z 3 VersVG) und eine Rücktrittsbelehrung erhalten hat. Dabei ist bei vereinbarter elektronischer Kommunikation die Zugangsfiktion des § 5a Abs 10 VersVG zu beachten.
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