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Anbauverpflichtung Niederösterreich

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  •  LeoTeka
28.11. - 4.12.2021
9 Antworten | 5 Autoren 9
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Hallo liebe Rechtsexperten ;)

ich habe mich extra angemeldet und habe diese Frage:

In Niederösterreich finde ich in den einschlägigen Gesetzen (Verordnungen) nur zwei mal die Anbaupflicht (synonym Anbauverpflichtung, Pflicht zum Anbau an Baufluchtlinien bzw. Straßenfluchtlinien). Einmal im Raumordnungsgesetz Paragraph 30 Abs 1 Z 8 und einmal in der Verordnung über die Ausführung des Bebauungsplanes unter Paragraph 4 (Planzeichen) Z 8.

Nun wollte ich wissen wie ich diese Pflicht erfüllen muss. Einen Beitrag gibts im Forum schon, da steht es reiche "ein Punkt". Ich würde es genauer wissen wollen. 
1. Muss mit einem Hauptgebäude drangebaut werden oder kann es auch zB eine Garage sein.
2. Müssen - wenn auf dem Grund 2 Hauptgebäude (geht das überhaupt?) stehen - beide drangebaut werden?
3. Wenn bei Frage 2 die Antwort NEIN ist, müssen diese Gebäude quasi verbunden werden? Wenn verbunden werden muss, geht es theoretisch auch unterirdisch?
4. Ab wann zählt ein Gebäude als Hauptgebäude? 

Ich möchte mein Haus nämlich so weit wie möglich weg von der Straße bauen, kann ich dann einfach zB eine Garage zur Baufluchtlinie setzen, oder welche Möglichkeiten gibts da? 

Ich hoffe es kann mir jemand beantworten bzw. falls jemand dazu Gerichtsentscheide hat wäre es auch super :)

Viele Dank
Leo

  •  ProjectX
  •   Bronze-Award
1.12.2021  (#1)
Hallo!

zitat..
LeoTeka schrieb: 1. Muss mit einem Hauptgebäude drangebaut werden oder kann es auch zB eine Garage sein.

Die Anbaupflicht muss durch das Hauptgebäude erfolgen, mit nur einem Nebengebäude an der Baufluchtlinie wäre die Anbauverpflichtung nicht erfüllt. 

zitat..
LeoTeka schrieb: es reiche "ein Punkt"

Korrekt wäre "ein raumbildender Teil", da die Anbauverpflichtung z.B. nicht mit einer bloßen Wand erfüllt werden kann. 


zitat..
LeoTeka schrieb: 2. Müssen - wenn auf dem Grund 2 Hauptgebäude (geht das überhaupt?) stehen - beide drangebaut werden?

Grundsätzlich spricht einmal nichts dagegen zwei Hauptgebäude auf einem Grundstück zu errichten, wenn im konkreten Fall eines davon an die Baufluchtlinie angebaut wird und somit die Anbauverpflichtung als erfüllt gilt, dann wäre ein zweites Hauptgebäude auch möglich wenn dieses nicht an die Baufluchtlinie angrenzt. 


zitat..
LeoTeka schrieb: 4. Ab wann zählt ein Gebäude als Hauptgebäude? 

Ein Hauptgebäude ist ein Gebäude das kein Nebengebäude ist. 
Ein Nebengebäude ist ein Gebäude mit einer bebauten Fläche bis zu 100 m², das oberirdisch nur ein Geschoß aufweist und keinen Aufenthaltsraum enthält (eine normale Garage wäre somit ein Nebengebäude). 


zitat..
LeoTeka schrieb: Ich möchte mein Haus nämlich so weit wie möglich weg von der Straße bauen, kann ich dann einfach zB eine Garage zur Baufluchtlinie setzen, oder welche Möglichkeiten gibts da? 

Wenn die Garage konstruktiv-statisch mit dem Wohnhaus verbunden ist und somit Teil des Hauptgebäudes ist, dann würde die Garage kein Nebengebäude, sondern eben Teil des Hauptgebäudes sein und somit die Anbauverpflichtung erfüllt sein wenn auch nur der "Garagenteil" an die Baufluchtlinie angrenzt. 

zitat..
LeoTeka schrieb: Wenn verbunden werden muss, geht es theoretisch auch unterirdisch?

Eine unterirdische Verbindung (Keller ect.) alleine reicht nicht aus, um aus zwei oberirdisch getrennten Gebäuden ein gemeinsames Gebäude (=oberirdisches Bauwerk mit einem Dach und min. 2 Wänden) zu machen.

LG

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  •  LeoTeka
2.12.2021  (#2)
Wow, vielen Dank für diese sehr ausführliche Antwort! 
Ok, das heißt die Garage muss verbunden sein.
Wenn ich keine Garage brauche zB, kann ich dann auch nur einen Gang hinbauen?
Welche Anforderdungen bis auf "raumbildend" und mit dem Hauptgebäude verbunden (sodass der Gang zum Hauptgebäude dazuzählt), muss dieser noch erfüllen? 
So wie ich aus der Bauordnung herauslese, kann dieser Gang auch nur 1 m breit sein und 2,2 m hoch zB?  Bzw könnte ich auch eine "zweigeschossige" Garage in den Maßen zB 3,5*6 m Grundfläche bauen um die Anbauverpflichtung zu erfüllen?

LG Leo

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  •  peterT1
  •   Gold-Award
2.12.2021  (#3)
Was ist im Bebauungsplan sonst noch festgelegt?

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  •  Karl10
  •   Gold-Award
2.12.2021  (#4)
@ProjectX 
Danke, dass du mir mit dieser kompetenten Antwort zuvorgekommen bist. Hatte zuletzt etwas wenig Zeit....

Einen Punkt würde ich aber gerne hinterfragen bzw. zur Diskussion stellen - und zwar hinsichtlich "2 Hauptgebäude auf einem Grundstück":

Zu der in einem Bebauungsplan festgelegten "Anbauverpflichtung" gibt es im Gesetz keinerlei näheren Detailbestimmungen oder Anweisungen (ausgenommen, dass mit einem "Hauptgebäude" angebaut werden muss). Es müssen daher die hier teilweise aufgeworfenen Fragen "interpretiert" werden bzw. kann man sie von anderen, verwandten Regelungen ableiten/herleiten.
Inhaltlich ist die in einem Bebauungsplan festgelegte Anbauverpflichtung ja sehr ähnlich zu sehen, wie Anbauverpflichtungen, die sich aus bestimmten Bebauungsweisen ergeben.
Beispiel: "geschlossene Bebauungsweise" - da muss man von seitlicher zu seitlicher Grundgrenze (oder Baufluchtlinie) bauen (also auch eine "Anbauverpflichtung")
oder "gekuppelte Bebauungsweise": da muss man an eine seitliche Grundgrenze bauen (also ebenso eine "Anbauverpflichtung") -
ähnlich bei "einseitig offen".
Und jetzt schauen wir mal, was bei diesen Bebauungsweisen, die alle gewisse "Anbauverpflichtungen" enthalten, mit 2 Hauptgebäuden auf ein und demselben Grundstück ausschaut?
"Geschlossen": auch das 2. Hauptgebäude irgendwo im hinteren Grundstücksteil muss die geschlossene Bebauungsweise erfüllen.
"gekuppelt": beide Hautpgebäude müssen an derselben seiltichen Grundgrenze kuppeln
"einseitig offen": beide Hauptgebäude müssen auf derselben Seite an die grenze anbauen und auf der anderen Seite "offen" bleiben.

Wenn man sich also an diesen Regelungen orientiert (an welchen sonst?), dann komm ich zum dem Schluss, dass die Anbauverpflichtung an eine vordere Baufluchtlinie nicht nur für 1 Hauptgebäude auf dem Grundstück gilt, sondern auch für alle anderen/weiteren auch.

Wie gesagt, steht alles nirgendwo im Gesetz so ausdrücklich und ist nur abgeleitet/interpretiert. Bin schon gespannt auf Meinungen..... 

1
  •  peterT1
  •   Gold-Award
2.12.2021  (#5)
Nachdem des bei einer Anbaupflicht primär um das Ortsbild geht, sehe ich es so: Wenn das 2. Gebäude nicht angebaut werden kann (Aufgrund der Lage des ersten Gebäudes am Grundstück), ist diese Anbaupflicht hinfällig.
Es handelt sich auch um ein Gebot und kein Verbot => Es ist ja nicht verboten "nicht anzubauen". Wenn nun das Gebot durch ein Hauptgebäude erfüllt ist...

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  •  ProjectX
  •   Bronze-Award
2.12.2021  (#6)
Vielen Dank Karl für die netten Worte!

zitat..
Karl10 schrieb: "2 Hauptgebäude auf einem Grundstück"

Wie du schon sagst, gibt es keine näheren Detailbestimmungen, somit gibt es interpretationsmöglichkeiten.
Ich bin mir aber nicht sicher ob die Herleitung von der Anbaupflicht im Zusammenhang mit einer verordneten oder abgeleiteten Bauweise hier aller Weißheit letzter Schluss ist. 
Meine Interpretation würde sich eher auf das angestrebte Ziel dieser Bestimmung fokusieren. 

Grundsätzlich stimme ich dir vollkommen zu, dass sämtliche Anbaupflichten im Zusammenhang mit einer verordneten (oder abzuleitenden) Bauweise immer auf alle Hauptgebäude zutreffen.
Wäre aus einem bestimmten Grund für einen bestimmten Bereich (z.B. rückwärtigen Bereich der Grundstücke ect.) nicht gewünscht, dass dort auch alle Hauptgebäude in der gleichen Bauweise situiert werden, so lässt sich die Raumplanung die Möglichkeit offen durch Einziehen einer Festlegungsgrenze eine andere Bauweise für diesen Bereich zu verordnen.
Ich sehe das Ziel einer Anbaupflicht viel mehr in einer einheitlichen straßenseitigen Anordnung der/des (Haupt)gebäude(s) entlang der Straßen- oder Baufluchtlinie (aus Ortsbildgründen), und weniger im Verhindern von weiteren Hauptgebäuden im rückwärtigen Bereich des Grundstückes.
Wenn das Ziel wäre, keine weiteren (Haupt)gebäude im hinteren Teil des Grundstückes zuzulassen, dann wäre eine hintere Baufluchtlinie bestimmt eher die zielführende Möglichkeit.
Oder anders gesehen, würde eine Anbaupflicht an die Straßen-/Baufluchtlinie für ALLE Hautgebäude auf einem Grundstück gelten, dann würde es zu dem Konflikt kommen, dass es aus raumplanerischer Sicht keine (zumindest mir bekannten) anderen Möglichkeiten gibt, um im rückwärtigen Bereich des Grundstückes doch noch Hauptgebäude zuzulassen.
Umgekehrt würde es, wenn die Anbaupflicht nur durch ein Hauptgebäude erfüllt werden müsste, jedoch immer die Möglichkeit geben, durch eine hintere Baufluchtlinie, weitere Hauptgebäude im hinteren Bereich des Grundstückes zu verhindern.
Aus Sicht der Praxis kenne ich eigentlich auch keinen Fall in dem ein weiteres Hauptgebäude im rückwärtigen Bereich des Grundstücks aus diesem Grund abgelehnt wurde, ich denke ich würde es -aus Sicht der Gemeinde - ähnlich handhaben.


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  •  ProjectX
  •   Bronze-Award
2.12.2021  (#7)

zitat..
LeoTeka schrieb: Wenn ich keine Garage brauche zB, kann ich dann auch nur einen Gang hinbauen?
Welche Anforderdungen bis auf "raumbildend" und mit dem Hauptgebäude verbunden (sodass der Gang zum Hauptgebäude dazuzählt), muss dieser noch erfüllen? 

Ich denke bei einer solchen "Konstruktion" könnte das Ortsbild ein problematisches Thema sein.

zitat..
LeoTeka schrieb: Bzw könnte ich auch eine "zweigeschossige" Garage in den Maßen zB 3,5*6 m Grundfläche bauen um die Anbauverpflichtung zu erfüllen?

Ein zweigeschoßiges Gebäude - auch wenn sich darin dann eine Garage befindet - würde als Hauptgebäude zählen, ein reiner nicht ausgebauter Dachboden über der Garage würde aber nicht als zweites Geschoß - und damit das ganze auch nicht als Hauptgebäude - zählen.

In diesem Fall (2 Hauptgebäude) wäre natürlich entscheidend wie deine Gemeinde die "Anbaupflicht" im Zusammenhang auf ein/alle Hauptgebäude interpretiert. 


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  •  LeoTeka
3.12.2021  (#8)
Hallo, 
danke für diese Interessanten Beiträge! Ich denke, da die Bebauungsweise offen ist und es nur diese vordere Baufluchtlinie mit Anbaupflicht gibt, ist die Intention des Gesetzgebers das einheitliche Ortsbild mit den straßenseitig angebauten Gebäuden.(ich interpretiere das mal zu meinen "Gunsten").
-Ein weiterer Punkt, der für mich denkbar wäre, wäre das Teilen des Grundstücks (parallel zur Straße), sodass auf dem hinteren Grundstück die Baufluchtlinie wegfällt. Die Anbindung zum öffentlichen Grund würde ich über ein Fahr- und Leitungsrecht bewerkstelligen.

Ist diese Variante im Bereich des Möglichen?

Liebe Grüße

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  •  Bianci
4.12.2021  (#9)
Die Grundstücksteilung muss auch die Gemeinde bewilligen.
Ich würde also jedenfalls vor Vermessung etc. auf der Gemeinde nachfragen.

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